Die Lietz-Academy gibt es nunmehr seit zwei Jahren in Haubinda. Üblicherweise beschäftigen sich zwischen 18 und 25 Schülerinnen und Schüler der Oberstufen an vier bis sechs Samstagnachmittagen im Schuljahr mit ganz lebenspraktischen Themen, die sie auf die Zeit nach Haubinda vorbereiten sollen. Doch irgendetwas war bei dieser Lietz-Academy-Veranstaltung anders.
Es war nicht Samstag, sondern Dienstag. Es war nicht Nachmittag, sondern Abend. Es waren nicht ausschließlich Schüler vor Ort, sondern auch Eltern, Fach- und Führungskräfte sowie Unternehmer der Region und weit darüber hinaus. Man traf sich nicht in der Kapelle, sondern im Zirkuszelt.
Es schien, als wäre die Welt ein bisschen auf den Kopf gestellt und alle bisher bekannten Muster gebrochen worden. Vielleicht lag dies an Gast und Thema der Veranstaltung: Dr. Stefan Kaduk – Autor und Mitbegründer der Musterbrecher® – kam in das Lietz Internatsdorf Haubinda, um mit den Teilnehmern über die Entwicklung strapazierfähiger Organisationen nachzudenken.
Seit über zwanzig Jahren untersucht er zusammen mit seinen Kollegen in Organisationen – vom klassischen Mittelstandsunternehmen über Banken und Schulen bis hin zu Verwaltungen – wie man Dinge anders tun kann und damit erfolgreich ist. Dr. Kaduk berichtete über eine sich rasant verändernde Welt, in der Unvorhersehbares und Überraschungen zum Alltag werden. Viele Teilnehmer kannten das ziemlich genau aus ihrem beruflichen Alltag. Die Kardinalsfrage, welche fortan durch das Zirkuszelt schwebte, war: Wie sollen wir mit dieser Unsicherheit umgehen?
Anhand vieler Musterbrecher-Beispiele versuchte Kaduk, die Gedanken der Teilnehmer in neue Möglichkeitsräume zu lenken. „Es gibt keine Kopiervorlage, die man über alle Organisationen stülpen kann,“ so der Referent. Es scheint aber Grundsätze zu geben, die sich bei vielen Musterbrechern entdecken lassen, zum Beispiel:
Harte Pole (Leitplanken) statt überbordende Regelwerke
Robustheit (z. B. durch Redundanzen) und Effektivität vor Effizienz
Experimente vor Planung von Scheinsicherheit
Miteinander reden statt (digital) kommunizieren
Weglassen von leblosen „Plastikwörtern“ in Leitbildern & Co.
Urteilskraft vor Instanz
Erfolgreiche Musterbrecher gehen ganz offenbar anders miteinander und ihrer Umwelt um. Dies macht sie widerstandsfähiger gegenüber Störungen. Einige Punkte des Gehörten widersprechen dem, was man üblicherweise in BWL-Vorlesungen beigebracht bekommt. Insbesondere dann, wenn es um Themen wie Redundanzen, Sicherheitspuffer und Wachstum geht. Andererseits entsprechen die gezeigten Ideen viel mehr unserem menschlichen Naturell, ohne dabei die Wirtschaftlichkeit in Frage zu stellen.
Unsere Wirtschaft und Gesellschaft sind gerade in unruhigem Fahrwasser unterwegs. Vieles ist unsicher und anstrengender geworden. Gewohnte Arbeitsweisen – unsere Muster quasi – führen nicht mehr zum gewünschten Ergebnis. Es muss sich etwas verändern. Vielleicht sollten wir uns daher gegenseitig ermutigen, Muster zu brechen, Neues zu probieren und damit neue Erfahrungen sammeln. So wie unlängst in Haubinda, wo das Experiment einer Open4all-Lietz-Academy in einem Zirkuszelt wunderbar glückte.
Der Internats- und Schulleiter Burkhard Werner ist beeindruckt und bewegt zugleich. Er spricht ein herzliches Dankeschön an den Referenten Dr. Stefan Kaduk sowie alle Teilnehmer aus. Diese konnten freiwillig – ganz im Sinne des gelebten Musterbruchs – den Preis für diesen Abend als Spende selbst festlegen. Die Summe wird der Lietz-Academy und weiteren Projekten in Haubinda zugutekommen.
Text: Kathrin Kern-Ludwig